800 Menschen demonstrieren gegen das PAG in München

Mehr als 800 Menschen haben heute in München gegen das Polizeiaufgabengesetz (PAG) demonstriert. Vor fünf Jahren verabschiedete der Bayerische Landtag die gravierende Novelle des PAGs, die die rechtlichen Grundlagen für polizeiliche Willkür deutlich erweitert. Seitdem werden insbesondere Migrant*innen und Klimaaktivist*innen ohne juristischen Beistand mehrere Wochen in Präventivhaft genommen. Aufgerufen zur heutigen Demonstration „5 Jahre sind genug“ hat das noPAG-Bündnis, bestehend aus über 70 zivilgesellschaftlichen Organisationen und Parteien.

„Trotz unserer großen Proteste haben CSU und Freie Wähler vor fünf Jahren das neue Polizeiaufgabengesetz beschlossen. Dieses garantiert der Polizei weitreichende Eingriffsbefugnisse in unser aller Rechte. Darum ist der Protest gegen das PAG heute genauso aktuell wie vor fünf Jahren“, sagt Franziska Büchl, Sprecherin des noPAG-Bündnisses. „All die Jahre haben wir besonders vor dem Präventivgewahrsam gewarnt. Denn damit können Menschen ohne Verurteilung und vor allem ohne, dass sie vorher eine Straftat begangen haben, inhaftiert werden“, so Büchl.

Wie der Umgang mit Migrant*innen und zuletzt mit Aktivist*innen der Letzten Generation zeigt, wird der Präventivgewahrsam bereits intensiv angewendet. Dabei wurden Menschen teilweise mehrere Wochen eingesperrt. Eine Maßnahme, die von bayerischen Gerichten bereits mehrfach als unverhältnismäßig abgelehnt wurde. „Der Präventivgewahrsam wird genau in den von uns befürchteten Fällen eingesetzt, um marginalisierte Menschen und Meinungen, die der Staatsregierung nicht passen, wegzusperren“, so Büchl weiter.

Das Bündnis fordert daher, das PAG grundlegend zu reformieren und zu den Regelungen von vor 2017 zurückzukehren. Zentral ist auch die Abkehr vom unbestimmten Begriff der „drohenden Gefahr“, der weitreichende polizeiliche Befugnisse ins Tatvorfeld verlegt.

„Als Bündnis klagen wir gegen das PAG, denn dies ist mit einem Rechtsstaat nicht vereinbar.

Vergleichbare Regelungen, beispielsweise im Polizeirecht von Mecklenburg-Vorpommern, hat das Bundesverfassungsgericht 2022 für verfassungswidrig erklärt. Aber das PAG in Bayern gilt weiter. Das darf so nicht bleiben“, so Büchl.

Das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz:
Das PAG wurde bereits 2017 und 2018 von der Bayerischen Staatsregierung verschärft. Damals beschloss die CSU, die unbestimmte Kategorie der „drohenden Gefahr“ mit in das PAG aufzunehmen. Trotz großer Proteste in Bayern und heftiger Kritik aus der Opposition wurde das Gesetz inklusive der drohenden Gefahr verabschiedet. Eine Popularklage vom Bund für Geistesfreiheit hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof am vergangenen Mittwoch abgelehnt.Verschiedene Verfassungsklagen, an welchen unter anderem das Bündnis gegen das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz beteiligt ist, sind derzeit noch anhängig.

Groß-Demo in München: 2500 demonstrieren gegen PAG 2.0

Mehr als 2000 Menschen haben am heutigen Sonntag in München gegen die erneute Verschärfung des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) durch die Bayerische Staatsregierung demonstriert. CSU und Freie Wähler wollen dies im Schnellverfahren durch den bayerischen Landtag bringen und um eine sogenannte „Zuverlässigkeitsüberprüfung“ erweitern. Diese stelle jedoch eine Bedrohung für die Bürger:innenrechte dar und öffne die Tür für zukünftige Überwachungsmaßnahmen. Aufgerufen zu der heutigen Demonstration “Schlimmer geht immer – Nein zum PAG 2.0” hat daher ein Bündnis bestehend aus Parteien, wie SPD, Bündnis 90/Die Grüne, FDP und Die LINKE, als auch über 30 zivilgesellschaftliche Organisationen, von Löwenfans gegen Rechts und Südkurve München über Ende Gelände bis zu Mehr Demokratie und dem Bayerischen Flüchtlingsrat.

„Heute haben hier tausende Menschen noch einmal bekräftigt: Das PAG in seiner jetzigen Form ist nicht im Sinne der Bürger. Anstatt immer neuer Überwachungsmaßnahmen sollte die bayerische Staatsregierung den Dialog mit der Zivilgesellschaft suchen und die Freiheit nicht immer weiter beschneiden“, sagt Simon Strohmenger, Sprecher des noPAG-Bündnisses. „Entgegen ihres Versprechens, die Regelungen zum PAG abzumildern, verschärft die Staatsregierung mit dem neuen Gesetz das PAG weiter.“

Mit der neu eingeführten Zuverlässigkeitsüberprüfung befugt die Bayerische Staatsregierung die Polizei in Zukunft, im Vorfeld von Großereignissen personenbezogene Daten von Einzelnen erheben zu können. Das Gesetz schafft die Möglichkeit, dass künftig nur an Veranstaltungen teilnehmen darf, wer im Vorfeld einer polizeilichen Überprüfung persönlich zugestimmt hat. In anderen Bundesländern ist dies deutlich enger gefasst.

Ziel des Bündnisses ist es daher, die Zuverlässigkeitsüberprüfung zu verhindern und Bürger:innenrechte im PAG zu stärken. Damit soll gewährleistet werden, dass Bayern zu seinen PAG-Regelungen von vor 2017 zurückkehrt.

„Weltweit gibt es noch nie dagewesene Formen von Überwachung und Kontrolle. Dieser Tendenz muss besonnen und nicht nacheifernd begegnet werden,“ so Johnny Parks, ebenfalls Sprecher des noPAG-Bündnisses. „Das neue PAG beweist, wie fern die Regierung unserer Gesellschaft ist. Das Vertrauen in die Polizei ist schwächer denn je in der BRD. Befugnis-Erweiterung ist also die schlechteste Antwort, die CSU und Freie Wähler bringen konnten.“

Das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz:
Das PAG wurde bereits 2017 und 2018 von der Bayerischen Staatsregierung verschärft. Damals beschloss die CSU, die unbestimmte Kategorie der „drohenden Gefahr“ mit in das PAG aufzunehmen. Trotz großer Proteste in Bayern und heftiger Kritik aus der Opposition wurde das Gesetz inklusive der drohenden Gefahr verabschiedet. Verschiedene Verfassungsklagen, an welchen unter anderem das Bündnis gegen das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz beteiligt ist, sind derzeit noch anhängig. Erst im Mai diesen Jahres veröffentlichte eine Expert:innenkommission Verbesserungsvorschläge für das PAG, die derzeit im Landtag verhandelte Novellierung des PAGs ist Ergebnis dieses Prozesses. Die neuerliche Verschärfung des PAG in Form einer „Zuverlässigkeitsüberprüfung“ wurde erst im Juni im Innenausschuss des Landtages eingebracht.

Weitere Informationen finden Sie hier.

PAG-Entwurf bleibt hinter Kritik der Kommission zurück, zentrale verfassungsrechtliche Probleme bleiben unangetastet

Anlässlich der 1. Lesung des erneuten Gesetzentwurfs zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes im Bayerischen Landtag am 24.2.2021 erklärt Laura Pöhler (Pressesprecherin Bündnis noPAG):

»Wir stellen ernüchtert fest: Der erneute Gesetzesentwurf bleibt
selbst hinter den unzureichenden Empfehlungen der PAG-Kommission zurück. Die zentralen Probleme – der Begriff der ‚drohenden Gefahr‘ als Eingriffsschwelle sowie der Einsatz geheimdienstlicher und militärischer Mittel – bleiben unangetastet. Es bleibt dabei: Das PAG ist ein verfassungswidriges Gesetz. Es stattet die bayerische Polizei mit unverhältnismäßigen und weit ins Gefahrenvorfeld reichenden Befugnissen aus. Diese Befugnisse schränken unsere Grund- und Freiheitsrechte unzulässig und unverhältnismäßig ein. Daher werden wir an unserer Verfassungsklage festhalten«

Zur Problematik des Präventivgewahrsams ohne anwaltlichen Beistand kritisiert Johannes König (Beschwerdeführer der Verfassungklage von #noPAG und Gesellschaft für Freiheitsrechte):

»Es ist ein verfassungsrechtlicher Skandal, dass in den letzten Jahren Menschen in Bayern präventiv in Haft genommen wurden, ohne Zugang zu Rechtsanwält*in. Darüber hinaus ist es politisch skandalös, dass die Regierung im Vorfeld felsenfest behauptet hatte, auch nach dem neuen PAG wäre anwaltlicher Beistand für alle Betroffenen gesichert.
Mittlerweile ist klar: Entweder wusste die Regierung nicht, was in ihrem eigenen Gesetz steht oder sie hat wissentlich das Parlament und die Öffentlichkeit belogen. Nun korrigiert die Regierung, was sie zuvor geleugnet hatte. Wenn Joachim Herrmann Anstand hätte, würde er sich spätestens jetzt dafür entschuldigen, dass er beim Präventivgewahrsam die Unwahrheit behauptet hat.«

Darüber hinaus verweisen wir auf die ausführliche Stellungnahme des Bündnisses #noPAG, aus der zitiert werden kann:
https://www.freitag.de/autoren/johanneskoenig/pag-bayern-nicht-reformierbar

Bündnis noPAG – Pressekonferenz am 29.1.2021 zum Gesetzesentwurf der Bayerischen Staatsregierung zur Änderung des PAG

Das Bündnis noPAG lehnt das bayerische Polizeiaufgabengesetz in seiner maßgeblich mit dem PAG- Neuordnungsgesetz beschlossenen Fassung vom 25. Mai 2018 ab. Vertreter*innen des Bündnisses haben gegen das Gesetz Klage vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht. Seit drei Jahren werden unter Berufung auf das PAG rechtsstaatlich nicht hinnehmbare polizeiliche Maßnahmen wie Durchsuchungen ohne richterlichen Beschluss oder Präventivgewahrsam ohne anwaltliche Vertretung in Bayern umgesetzt. Die grundlegende Kritik an dem Gesetz kann durch die im Dezember 2020 vorgelegten Änderungen nicht ausgeräumt werden. Trotz der Ankündigung Joachim Herrmanns, die Anregungen aus dem Abschlussbericht der PAG-Kommission „1 zu 1“ umzusetzen, wird der aktuelle Gesetzesentwurf dem Kommissionsbericht nur in Teilen gerecht. Das PAG ist ein im Kern verfassungswidriges Gesetz, das die bayerische Polizei mit unverhältnismäßigen und weit ins Gefahrenvorfeld reichenden Befugnissen ausstattet. Diese Befugnisse lehnt das Bündnis ab. Das Bündnis wird den nun beginnenden parlamentarischen Beratungsprozess kritisch begleiten.

Die ausführliche Stellungnahme findet sich hier.

Wir fordern:

  • die im bayerischen Landtag vertretenen Parteien auf, die Neuberatung des PAGs zu nutzen, eine grundlegende Reform des Gesetzes anzugehen, die alle Änderungen am PAG, die seit August 2017 in Kraft sind, zurücknimmt. Dazu gehört insbesondere die vollständige Streichung des Begriffs der „drohenden Gefahr“ aus dem Gesetz und die Rückkehr zum Begriff der „konkreten Gefahr“. Wir fordern die Parteien zudem auf, im konkreten Beratungsprozess insbesondere folgende Änderungen durchzusetzen:
    • Beiordnung eines Anwalts bereits bei der ersten richterlichen Vorführung eines in Präventivgewahrsam genommenen Häftlings
    • Einführung eines Richtervorbehaltes auch bei der polizeilichen Anordnung eines Wohnortwechsels (Verbannung)
    • Aufnahmen von Bodycams dürfen nicht allein der polizeilichen Nutzung überlassen bleiben, sondern müssen auch zur Aufklärung von polizeilichen Übergriffen zur Verfügung stehen. Polizeibeamt*innen dürfen keine Möglichkeit haben, die Kameras im Einsatz ein- bzw. abzuschalten. Beim Einsatz von Bodycams in Wohnungen muss ein Richtervorbehalt eingeführt werden. Die technische Möglichkeit des Prerecording muss abgeschafft werden.
    • Keine Ausweitung der polizeilichen Befugnisse bei Kontrollen (Identitätsfeststellungen)
  • die Bürger*innen auf, sich an der erneuten Diskussion zum PAG durch aktive Wortmeldungen zu beteiligen und dem breiten Protest der Bevölkerung gegen das PAG Ausdruck zu verleihen. 
  • weitergehende Initiativen zur Stärkung von Bürgerrechten:
    • Individuelle Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamt*innen
    • Unabhängiges Kontrollgremium und unabhängige Ermittlungen für Fälle von Polizeigewalt und andere Vergehen (z. B. Racial Profiling)
    • die Untersuchung und konsequentes Vorgehen gegen extrem rechte und rassistische Einstellungen in den Reihen der bayerischen Polizei

Bündnis noPAG kritisiert Corona-Demos

„Wer sich für Grundrechte einsetzen will, kann nicht mit Neonazis und Antisemit*innen demonstrieren“

Das Bündnis noPAG, das in den letzten Jahren eine breite Protestbewegung gegen die grundrechtefeindliche Politik der bayerischen Landesregierung und das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz angeführt hat, kritisiert die Kundgebungen der „Corona-Rebellen“ am vergangenen Samstag in der Münchner Innenstadt.

Bündnissprecherin Laura Pöhler: „Was wir da am Samstag erlebt haben ist erschreckend. Verschwörungstheorien und Shoah-Relativierungen wurden im Zentrum Münchens ungehindert verbreitet – und das ausgerechnet an jenem Wochenende, an dem wir die Befreiung vom Nationalsozialismus vor 75 Jahren feiern. Die dort versammelte „Anti-Corona-Bewegung“ scheint in weiten Teilen kein Bedürfnis zu haben, sich gegenüber dem extrem rechten Spektrum abzugrenzen. Die Anmelderin Petra Kothoff selbst verbreitet auf Facebook verschwörungsideologische und antisemitische Inhalte und bietet den Äußerungen des rechtsextremen Propagandisten Ken Jebsen eine Plattform. Die extreme Rechte war von AfD bis Dritter Weg vertreten, was von etlichen der angeblich für Grundrechte eintretenden Teilnehmer*innen vehement verteidigt wurde. Wir kritisieren das entschieden und fordern all diejenigen, denen es tatsächlich um Grundrechte geht, auf, die Chatgruppen zu verlassen und nicht mehr an diesen verschwörungsideologischen Demonstrationen teilzunehmen.“

Frederick Heussner fügt hinzu „Auch der Umgang der Polizei ist bezeichnend. Während bei linken Kundgebungen trotz konsequentem Gesundheitsschutz schon für die kleinsten Übertretungen unverhältnismäßig durchgegriffen wird, gab es am Samstag trotz Corona einen Handshake mit Verschwörungsideologin Kothoff.“

Pöhler weiter: „Natürlich gibt es auch in Corona-Zeiten etliche Gründe für Kritik und Protest. Die Lage in Geflüchtetenunterkünften ist menschenunwürdig und es besteht die reale Gefahr, dass die Grundrechtseinschränkungen nach Corona nicht zurück genommen werden.
Auch sozial ist Corona mit erheblichen Härten verbunden. Der Pflegenotstand ist noch einmal verschärft und es sind besonders die
Schwächsten die unter der Krise am Meisten leiden, während milliardenschwere Rettungspakete für klimafeindliche Autokonzerne beschlossen werden. Diese Themen kamen jedoch auf der Demonstration bezeichnenderweise nicht vor.“

Bündnissprecher Frederick Heussner ergänzt seine Kollegin: „All das lässt uns vom noPAG Bündnis zu dem Schluss kommen: Die Demonstrationen haben mit Grundrechten und Solidarität nichts zu tun. Vielmehr erinnern sie mit ihren „Wir sind das Volk“-Gesängen an PEGIDA, auch wenn der gemeinsame Nenner diesmal nicht Rassismus gegen Geflüchtete, sondern antisemitische Verschwörungsideologie ist. Wenn tausende Menschen 75 Jahre nach der Niederlage des Nationalsozialismus nichts Besseres zu tun haben, als mit Nazis und Antisemit*innen auf die Straße zu gehen und sich mit den Opfern der Shoa zu vergleichen, sind sie definitiv Teil des Problems, nicht Teil der Lösung.“

Bündnis noPAG fordert Moratorium für Sicherheitsgesetze – Gesetzesentwurf aus dem Bundesjustizministerium zur DNA überflüssig

Das Bündnis noPAG – Nein zum Bayerischen Polizeiaufgabengesetz lehnt erneuten Gesetzesvorstoß des Bundesjustizministeriums ab. Ein Ändern von Sicherheitsgesetzen am laufenden Band schafft nicht mehr Sicherheit. Gesetzesinitiativen müssen ausgesetzt werden.

Das Bündnis noPAG – ein Zusammenschluss von etwa 100 Organisationen -, das sich mit einer Verfassungsklage gegen das im vergangenen Jahr verabschiedete neue bayerische Polizeiaufgabengesetz wendet, fordert das Bundesjustizministerium auf, das geplante Gesetz zur DNA-Analyse nicht in das parlamentarische Beratungsverfahren einzubringen. Es gibt derzeit keine Notwendigkeit für eine Verschärfung der Gesetzgebung, im Gegenteil. Die erweiterte DNA-Analyse stellt einen erheblichen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte dar. Das bayerische Polizeiaufgabengesetz enthält bereits eine sehr weitreichende Regelung zur DNA-Analyse.

Ursprünglich hatte die Staatregierung noch weitergehende Befugnisse bei der Untersuchung genetischer Fingerabdrücke geplant, diese jedoch zumindest teilweise nach dem massiven Protest zurückgenommen. Nun sollen bundesweit die Befugnisse über eine Änderung von § 81e Absatz 2 der Strafprozessordnung (StPO) erreicht werden, obwohl die DNA-Analyse in verschiedenen Klagen gegen das PAG bereits gerügt wurde. Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber hatte in seinem jüngsten Tätigkeitsbericht die massive Ausweitung der Befugnisse für Grundrechtseingriffe der Sicherheitsbehörden gerügt und eine Auszeit bei der Verabschiedung neuer Gesetze gefordert. In diesem Sinne fordert das Bündnis noPAG ein Moratorium für alle Landes- und Bundesgesetzgeber für neue Sicherheitsgesetze, bis grundlegende Fragen entschieden sind. Selbst Innenminister Seehofer hat mittlerweile eingesehen, dass ein Lieblingsprojekt der großen Koalition, das sogenannte Musterpolizeigesetz wenig Sinn macht, wenn die Vorlage zu diesem Gesetz – das bayerische Polizeiaufgabengesetz – in weiten Teilen vor dem Bundesverfassungsgericht und dem bayerischen Verfassungsgerichtshof mit Klagen angegriffen wird. Ein Moratorium sollte mindestens so lange währen, bis über diese Klagen entschieden wurde. Nach Auffassung des Bündnisses braucht es keine verschärfenden Sicherheitsgesetze. Es benötigt im Gegenteil einen Vorschlag, wie eine sogenannte „Überwachungsgesamtrechnung“ in der Praxis umgesetzt werden kann. Bereits 2010 hatte das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung gerügt, dass staatliche Maßnahmen nicht ausschließlich einzeln, sondern immer auch in ihrer Gesamtsumme betrachtet werden müssen. Bis heute fehlt es jedoch an entsprechenden Instrumenten. Es wird gesammelt und gespeichert, ohne dass klar ist, wie einschneidend die Flut neuer Sicherheitsgesetze die Grund- und Persönlichkeitsrechte beschneidet. Die breite Unterstützung des Bündnisses noPAG in der Bevölkerung zeigt, dass viele Menschen mittlerweile ein ungutes Gefühl beschleicht, wenn sie an Polizei und Geheimdienste denken, vor allem deren Datensammelwut und die Befugnisse der Behörden, die massive Einschnitte in Freiheitsrechte ermöglichen. Vor diesem Hintergrund darf nicht einfach weiter an der Sicherheitsschraube gedreht werden.

Bündnis noPAG kritisiert PAG-Kommission: Rücknahme der Novellen des PAG statt Beschwichtigung

Sehr geehrte Damen und Herren,

der am 09.01.2019 veröffentlichte Zwischenbericht der PAG-Kommission bestätigt die Kritik des Bündnis noPAG an der PAG-Kommission. Das Bündnis noPAG begrüßt, dass die Debatte um das neue Polizeiaufgabengesetz weiterhin nicht abreißt, steht der Arbeit der Kommission aber nach wie vor kritisch gegenüber.

Aus Sicht des Bündnisses ist die Kommission eine völlig unzureichende Reaktion auf die Kritik an den drastischen und zum Teil grundgesetzwidrigen Verschärfungen des Polizeiaufgabengesetzes. Die Kommission widmet sich ausschließlich der praktischen Umsetzung des neuen PAG und dabei lediglich einigen besonders umstritten Elementen. Eine Überprüfung der Vereinbarkeit mit den Grundrechten der Bestimmungen selbst unterbleibt. Dazu kommt, dass Einzelfallprüfungen nicht geplant zu sein scheinen, obwohl mindestens ein skandalöser Anwendungsfall in Schweinfurt dringend aufklärungsbedürftig ist.

Zudem lässt die Besetzung der Kommission erhebliche Zweifel an ihrer Unabhängigkeit aufkommen. Vertreter*innen der Zivilgesellschaft oder Betroffene sind beispielsweise nicht vertreten. Dazu passt, dass die Kommission in ihrer bisherigen Arbeit vor allem mit Behörden und verschiedenen Polizeigewerkschaften zusammenarbeitet, während eine Beteiligung der Zivilgesellschaft bisher überhaupt nicht stattgefunden hat. Dies steht in einer Linie mit der Politik der Staatsregierung, die im vergangenen Jahr trotz Massenprotesten jeden Dialog verweigert und stattdessen versucht hat die Proteste zu diskreditieren.

Entsprechend kritisch bewertet das Bündnis noPAG auch Aussagen auf der heutigen Pressekonferenz der PAG-Kommission, nach denen diese nun den Dialog mit dem Bündnis suchen möchte. „Bisher hat sich niemand bei uns gemeldet und wir wissen auch nicht wie dieser Dialog aussehen soll.“ sagt Laura Pöhler, Pressesprecherin des Bündnisses. „Wir haben den Eindruck, dass die Kommission angebliche Offenheit für Kritik signalisieren soll, wo man in Wirklichkeit gegen einen breiten Widerstand ein höchst umstrittenes und verfassungswidriges Gesetz durch den Landtag gejagt hat. Natürlich tragen wir auch den Mitgliedern der Kommission unsere Kritik an den Reformen und der Anwendungspraxis vor. Für ein Gespräch, welches lediglich als Feigenblatt dient, um eine Einbindung der Zivilgesellschaft vorzutäuschen, stehen wir jedoch nicht zur Verfügung. Wir stehen zu unserer Forderung, dass die Änderungen des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes von 2017 und 2018 sowie das bayerische Integrationsgesetz zurückgenommen werden müssen.“

PAG führt dazu, dass Menschen ohne Anwalt in Gewahrsam genommen werden dürfen – CSU lügt trotz klarer Faktenlage

Die kontroverse Debatte um die Reform des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes reißt kurz vor der Landtagswahl nicht ab. Während die bayerische Landesregierung dem breiten Widerstand gegen das PAG seit Monaten „Lügenpropaganda“ vorwirft, steht sie selbst in der Kritik Lügen über das neue Gesetz zu verbreiten: Ein bisher wenig thematisierter Fall der Anwendung des neuen PAG in Schweinfurt zeigt, dass die CSU Fehlinformationen verbreitet in der brisanten Frage, ob Menschen aufgrund des PAG wochen- oder sogar monatelang inhaftiert werden können, ohne verpflichtend einen Rechtsanwalt zur Seite zu haben.

Das wird an einem konkreten Fall offenbar: Im Juni wurden in einer Geflüchtetenunterkunft in Schweinfurt mehrere Personen als „Gefährder“ nach dem neuen PAG in Gewahrsam genommen. Die Befürchtungen des Bündnisses noPAG und anderer Kritiker haben sich dabei bewahrheitet: Menschen die aufgrund des neuen PAG in Gewahrsam genommen werden, können sich nicht darauf verlassen von einem Anwalt vertreten zu werden. Das im oben genannten Fall zuständige Amtsgericht Schweinfurt begründet dies mit Bezug auf das PAG: „Die Vorschriften des Artikel 17 fortfolgende im Polizeiaufgabengesetz sehen nicht vor, dass seitens des Gerichts ein anwaltlicher Vertreter beigeordnet werden muss.“ In ihrer Öffentlichkeitsarbeit behauptet die Landesregierung trotzdem weiterhin, dass Betroffene „grundsätzlich entweder auf Antrag oder von Amts wegen einen Rechtsanwalt zur Seite“ gestellt bekommen.

Pressesprecher des noPAG-Bündnisses Fred Heussner sagt hierzu: „Dass das neue PAG derartig krasse Eingriffe in elementare Bürger- und Menschenrechte beinhaltet, ist dramatisch genug. Wenn die Regierung dann auch noch darüber lügt, wird offenbar wie weit die antidemokratische Entwicklung der CSU vorangeschritten ist. In Bayern regiert eine Partei die Grundrechte schleift, Kritiker zu Unrecht diffamiert, und sogar über elementare Prinzipien des Rechtsstaates Unwahrheiten verbreitet. Sie muss dringend abgewählt werden.“ Seine Kollegin, Pressesprecherin Laura Pöhler, fordert: „Noch-Innenminister Herrmann sollte sich bei den zigtausenden Demonstranten entschuldigen. Nicht die Kritiker haben Lügenpropaganda und eine Desinformationskampagne betrieben, sondern er und die CSU im Landtag.“

Pressemitteilung: GFF und NoPAG legen Verfassungsbeschwerde gegen das Bayerische Polizeiaufgabengesetz ein

Berlin/München, 5. Oktober 2018 – Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) legt beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde gegen die Ausweitung polizeilicher Befugnisse im Bayerischen Polizeiaufgabengesetz (BayPAG) ein. Unter den zehn Beschwerdeführer*innen sind neben mehreren Rechtsanwält*innen viele Menschen aus der Zivilgesellschaft. „Das neue Polizeiaufgabengesetz ist deshalb problematisch, weil die Polizei nun schon bei einer nur drohenden Gefahr eingreifen kann. Das kann sie praktisch immer begründen, denn es gibt keine klaren Kriterien für eine ‚drohende‘ Gefahr“, sagte der GFF-Vorsitzende Dr. Ulf Buermeyer am Freitag in München. Wegen des weiten Gefahrenbegriffs sind praktisch alle Menschen, die sich regelmäßig in Bayern aufhalten, potentiell von den neuen Eingriffsbefugnissen betroffen.

Der Freiburger Privatdozent Dr. Mathias Hong und der Münchner Rechtsanwalt Hartmut Wächtler werden die Beschwerde am 6. Oktober 2018 in Karlsruhe im Auftrag der GFF und des Bündnisses „NoPAG“ einreichen. Das Verfahren wird durch die Bürgerbewegung Campact unterstützt.

Die Beschwerdeschrift richtet sich gegen die am 25. Mai 2018 in Kraft getretene Änderung des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes, das der Polizei nun sowohl eine Vielzahl an neuen Eingriffsmaßnahmen als auch generell größere Entscheidungsfreiheit einräumt. „Das bayerische Polizeiaufgabengesetz wird zu Recht als das härteste Polizeigesetz seit 1945 bezeichnet “, so Buermeyer weiter. „Es enthält nicht nur hochproblematische Einzelmaßnahmen, wie den Einsatz von Explosivmitteln zur Gefahrenabwehr oder von Staatstrojanern zu Überwachungszwecken, sondern verstößt auch gegen zentrale rechtsstaatliche Grundsätze.“

Die neue Eingriffsschwelle der „drohenden Gefahr“ führt dazu, dass die Polizei präventiv eine Vielzahl an Maßnahmen gegen Personen ergreifen kann, selbst wenn keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass von diesen Personen überhaupt irgendetwas droht. So kann sie Menschen außerhalb ihrer Wohnungen durch V-Leute oder Drohnen überwachen lassen, Bildaufnahmen anfertigen und sich Zugriff auf technische Geräte wie Handys und Computer verschaffen. Damit greift sie tief in die Privatsphäre der Betroffenen ein, die sich gegen die Eingriffe kaum wehren können, da sie ohne ihr Wissen erfolgen. „Durch das neue Polizeiaufgabengesetz kann die Polizei wie ein Nachrichtendienst agieren“, sagte Frederick Heussner, Vertreter des NoPAG-Bündnisses.

Die Beschwerdeführer*innen kommen aus allen Bereichen der Zivilgesellschaft und sind teilweise – so im Falle einer Journalistin und mehrerer Rechtsanwält*innen – auch in ihrer Berufsausübung von den neuen Befugnissen betroffen. Die Änderungen der BayPAG-Novelle reichen so weit, dass praktisch jede*r Opfer der neuen Polizeibefugnisse werden kann, weil niemand ausschließen kann, wissentlich oder unwissentlich in Berührung mit Personen oder Umständen zu gelangen, die der Polizei Anhaltspunkte für eine „drohende Gefahr“ bieten.

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich auch gegen die erweiterten Möglichkeiten zum Einsatz von Explosivmitteln wie Handgranaten oder Panzerfäusten. Das Gesetz erlaubt den Explosivmitteleinsatz auch dann, wenn dadurch mit hoher Wahrscheinlichkeit Unbeteiligte ums Leben kommen – wenn es nur dazu dient, einen bewaffneten Angriff zu stoppen, der anders nicht abzuwenden ist. „Der Gesetzgeber erlaubt damit der Polizei, die Leben Unbeteiligter zu opfern, um andere Unbeteiligte zu retten“, kritisierte Buermeyer. „Einer solchen Abwägung von Menschenleben hat das Bundesverfassungsgericht jedoch in seiner Entscheidung zum Luftsicherheitsgesetz bereits eine klare Absage erteilt.“

noPAG und ausgehetzt bringen abermals 40.000 auf die Straße – Vielfalt des bayerischen Widerstands kurz vor der Landtagswahl vereint

Die Demonstration „Jetzt Gilt’s – Gemeinsam gegen die Politik der Angst“ hat am 3. Oktober 2018 40.000 Menschen gegen die Verschärfungen des Polizeirechts und den allgemeinen Rechtsruck auf die Straße gebracht. Diese haben nicht nur bunt und friedlich demonstriert, sondern lautstark und entschlossen ihren Widerstand auf die Straße getragen. Wie angekündigt, ist es den Organisator*innen kurz vor der bayerischen Landtagswahl gelungen, die Proteste der vergangenen Monate zu einem eindrucksvollen Statement zusammenzubringen und den bayerischen Widerstand in seiner Vielfalt abzubilden. Die beiden Demo-Bündnisse #noPAG und #ausgehetzt haben nicht nur erneut Tausende auf die Straße gebracht, sondern diejenigen Akteure versammelt, die zu Symbolen des Widerstands der letzten Monate geworden sind: Mass statt Hass und antifa nt, Sechziger gemeinsam mit Bayern-Fans, Kirchenasyl und Slut Walk, Junge Liberale mit Stattpark Olga. Hedonistische Ausdrücke des Protests von Organisationen wie Polizeiklasse und Love, Beats und Happy Bass sind ebenso präsent wie alarmierende Beiträge von Geflüchteten und anderen von Repression und Rechtsruck betroffenen.

Wie Pressesprecher Fred Heussner sagt: „Mit der vierten Großdemonstration innerhalb weniger Monate ist – weniger als zwei Wochen vor der Landtagswahl – klar, dass die Rede vom ‚Sommer des Widerstands‘ und dem ‚Herbst der Solidarität‘ keine hohlen Phrasen sind. Die Bevölkerung ist nicht länger bereit immer grausamer werdende
Zustände zu ertragen. Was wir brauchen ist ein radikaler Politikwechsel.“ Die den Aufruf zeichnenden Organisationen und Parteien fordern neben der Rücknahme der Änderungen des Polizeiaufgabengesetz unter anderem unabhängige Untersuchungsstellen für Polizeigewalt und andere Vergehen, einen sofortigen Abschiebestopp in Kriegs- und Krisengebiete und dezentrale Unterbringung von Geflüchteten.

Pressesprecherin Laura Pöhler fügt hinzu: „Die Bevölkerung hat wie angekündigt noch einmal kurz vor der Wahl zum Ausdruck gebracht, dass sie sich entschieden gegen autoritären Umbau und Rechtsruck stellen. Nicht nur die CSU, sondern alle bei den Landtagswahlen antretenden Parteien stehen in der Pflicht die Rücknahme des
Polizeiaufgabengesetzes sowie die anderen Demo-Forderungen umzusetzen und endlich einen Kurswechsel einzuleiten. Statt Angst, Hass und Gewalt müssen wir eine Gesellschaft aufbauen, in der Menschenrechte unteilbar sind und vielfältige und selbstbestimmte Lebensentwürfe selbstverständlich.“

Das Bündnis noPAG kündigte bereits während der Demo an, auch über die Landtagswahlen hinaus und unabhängig von deren Ausgang aktiv zu bleiben. Bereits am kommenden Freitag, den 5. Oktober 2018, wird das Bündnis seine gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte eingereichte Verfassungsbeschwerde gegen das Polizeiaufgabengesetz vorstellen.