800 Menschen demonstrieren gegen das PAG in München

Mehr als 800 Menschen haben heute in München gegen das Polizeiaufgabengesetz (PAG) demonstriert. Vor fünf Jahren verabschiedete der Bayerische Landtag die gravierende Novelle des PAGs, die die rechtlichen Grundlagen für polizeiliche Willkür deutlich erweitert. Seitdem werden insbesondere Migrant*innen und Klimaaktivist*innen ohne juristischen Beistand mehrere Wochen in Präventivhaft genommen. Aufgerufen zur heutigen Demonstration „5 Jahre sind genug“ hat das noPAG-Bündnis, bestehend aus über 70 zivilgesellschaftlichen Organisationen und Parteien.

„Trotz unserer großen Proteste haben CSU und Freie Wähler vor fünf Jahren das neue Polizeiaufgabengesetz beschlossen. Dieses garantiert der Polizei weitreichende Eingriffsbefugnisse in unser aller Rechte. Darum ist der Protest gegen das PAG heute genauso aktuell wie vor fünf Jahren“, sagt Franziska Büchl, Sprecherin des noPAG-Bündnisses. „All die Jahre haben wir besonders vor dem Präventivgewahrsam gewarnt. Denn damit können Menschen ohne Verurteilung und vor allem ohne, dass sie vorher eine Straftat begangen haben, inhaftiert werden“, so Büchl.

Wie der Umgang mit Migrant*innen und zuletzt mit Aktivist*innen der Letzten Generation zeigt, wird der Präventivgewahrsam bereits intensiv angewendet. Dabei wurden Menschen teilweise mehrere Wochen eingesperrt. Eine Maßnahme, die von bayerischen Gerichten bereits mehrfach als unverhältnismäßig abgelehnt wurde. „Der Präventivgewahrsam wird genau in den von uns befürchteten Fällen eingesetzt, um marginalisierte Menschen und Meinungen, die der Staatsregierung nicht passen, wegzusperren“, so Büchl weiter.

Das Bündnis fordert daher, das PAG grundlegend zu reformieren und zu den Regelungen von vor 2017 zurückzukehren. Zentral ist auch die Abkehr vom unbestimmten Begriff der „drohenden Gefahr“, der weitreichende polizeiliche Befugnisse ins Tatvorfeld verlegt.

„Als Bündnis klagen wir gegen das PAG, denn dies ist mit einem Rechtsstaat nicht vereinbar.

Vergleichbare Regelungen, beispielsweise im Polizeirecht von Mecklenburg-Vorpommern, hat das Bundesverfassungsgericht 2022 für verfassungswidrig erklärt. Aber das PAG in Bayern gilt weiter. Das darf so nicht bleiben“, so Büchl.

Das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz:
Das PAG wurde bereits 2017 und 2018 von der Bayerischen Staatsregierung verschärft. Damals beschloss die CSU, die unbestimmte Kategorie der „drohenden Gefahr“ mit in das PAG aufzunehmen. Trotz großer Proteste in Bayern und heftiger Kritik aus der Opposition wurde das Gesetz inklusive der drohenden Gefahr verabschiedet. Eine Popularklage vom Bund für Geistesfreiheit hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof am vergangenen Mittwoch abgelehnt.Verschiedene Verfassungsklagen, an welchen unter anderem das Bündnis gegen das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz beteiligt ist, sind derzeit noch anhängig.

„5 Jahre sind genug“ – Kommt am 18. Juni um 11 Uhr zur Demonstration gegen das Bayerische Polizeiaufgabengesetz (PAG) am Max-II-Denkmal (Maxmonument)

Vor fünf Jahren verabschiedete der bayerische Landtag die gravierende Novelle des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (2018). Damit wurden die rechtlichen Grundlagen für polizeiliche Willkür entschieden erweitert. Seit dem Inkrafttreten des PAGs wurden insbesondere Migrant*Innen ohne juristischen Beistand in Polizeigewahrsam genommen. Ebenfalls wurden Demonstrant*Innen und Klimaaktivist*Innen mehrere Wochen in Präventivhaft (Haft ohne Straftat) genommen. Eine Maßnahme, die von bayerischen Gerichten bereits mehrfach als unverhältnismäßig abgelehnt wurde. Mit der sogenannten „Zuverlässigkeitsüberprüfung“ stellt das PAG Helfer*Innen bei Großveranstaltungen, Demonstrationen und Streiks unter Generalverdacht. Die Staatsregierung führte mit der PAG-Novelle 2018 durchgehend den unbestimmten Begriff der „drohenden Gefahr“ ein und verlegt damit die weitreichenden Befugnisse der Beamt*innen weit ins sogenannte Tatvorfeld. Die Polizei darf Telefongespräche oder den E-Mail-Verkehr überwachen. Vertrauenspersonen und verdeckt arbeitende Ermittler*Innen können auch bereits bei „drohender Gefahr“, also ohne konkreten Hinweis auf ein strafbares Verhalten, eingesetzt werden und dabei unbemerkt auch online Einblicke in privateste Lebensbereiche erhalten. Vergleichbare Regelungen, z.B. im Polizeirecht von Mecklenburg-Vorpommern, hat das Bundesverfassungsgericht 2022 für verfassungswidrig erklärt. Aber das PAG in Bayern gilt weiter. Das darf so nicht bleiben.

Bayern braucht ein Polizeirecht, das demokratischer Kontrolle unterliegt. Das heißt auch: wir wollen keine Grundrechtseinschränkungen! So lehnen wir zum Beispiel die Einführung von Spionagesoftware, wie VeRA des US-Unternehmens Palantir zur automatisierten Überwachung, ab. Trotz massiver Kritik wurde die Software bereits ohne Parlamentsbeschluss durch die Staatsregierung angeschafft. Für das bayerische Polizeigesetz gibt es nur eine Möglichkeit: Es muss grundlegend reformiert und wieder auf rechtsstaatliche Füße gestellt werden. Wir brauchen eine unabhängige Kontrolle der bayerischen Polizei, die zum Beispiel untersucht, wenn Polizeibeamt*innen gegen Migrant*Innen, Fußballfans, Aktivist*Innen, Demonstrant*Innen oder Streikende vorgehen oder gar Gewalt anwenden.

Deshalb gehen wir am 18. Juni 2023 um 11 Uhr erneut auf die Straße, um für ein besseres PAG und gegen die Einschränkung der Grundrechte zu streiten! Die Befürchtungen haben sich bestätigt: Denn das bayerische PAG ist Ausdruck einer immer repressiver werdenden Gesellschaft. Angefangen mit einer immer schärfer werdenden Gesetzgebung gegen Demonstrant*Innen bis hin zu einem inhumanen Vorgehen gegen Geflüchtete an den Außengrenzen.

Demo für die Abschaffung des Präventivgewahrsam

Demonstration am 13.11.2022 um 14 Uhr am Wettersteinplatz

Derzeit sitzen 12 Teilnehmer*innen an den Klimaprotesten in der Münchener Innenstadt in sogenanntem Präventivgewahrsam mit einer Dauer von einem Monat. Das Bündnis noPAG fordert die sofortige Freilassung der Inhaftierten. Wer Aktivist*innen einsperrt, beschneidet das Versammlungsrecht. In Zeiten, in denen weltweit Menschen um ihre Freiheitsrechte bangen und kämpfen müssen, darf in Bayern nicht der schleichende Abbau von Grundrechten weiter voran gehen. Seit 2017 gilt in Bayern ein in Deutschland einmaliges Polizeirecht, dass immer wieder vor allem gegen Geflüchtete und Protestierende eingesetzt wird. Die Dauer des bayerischen Präventivgewahrsams bis zu zwei Monaten ist in Deutschland einmalig, ebenso wie die häufige Anwendung gegen der Regierung unliebsame soziale Bewegungen. Selbst die von der bayerischen Staatsregierung eingesetzte PAG-Kommission hat die unverhältnismäßige Dauer des bayerischen Präventivgewahrsams kritisiert. Und bayerische Gerichte haben bereits im Zusammenhang mit den Protesten gegen die IAA die Präventivhaft von Klimaaktivist*innen aufgehoben. Das Bündnis noPAG fordert den bayerischen Innenminister Herrmann auf, die bayerische Polizei anzuweisen, bis auf weiteres auf die Präventivhaft gegen Versammlungsteilnehmer*innen zu verzichten. Das Bundesverfassungsgericht soll sich nunmehr zeitnah mit den seit Jahren anhängigen Klagen des noPAG-Bündnisses und anderer Organisationen gegen die Neufassung des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes befassen. Über die Sinnhaftigkeit und die Strategie einzelner Aktionen lässt sich kontrovers diskutieren. Der Versuch jedoch, diese mit Mitteln des Polizeirechts zu kriminalisieren und zu unterdrücken ist nicht nur ein Zeichen von politischer Schwäche sondern auch ein Angriff auf unverzichtbare Grundrechte. Wir bleiben bei unseren Forderungen: Das PAG in seiner Neufassung muss vollständig zurückgenommen und insbesondere der unbestimmte Begriff der „drohenden Gefahr“ als Eingriffsschwelle für drastische Eingriffe in demokratischen Freiheitsrechte abgeschafft werden.

Groß-Demo in München: 2500 demonstrieren gegen PAG 2.0

Mehr als 2000 Menschen haben am heutigen Sonntag in München gegen die erneute Verschärfung des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) durch die Bayerische Staatsregierung demonstriert. CSU und Freie Wähler wollen dies im Schnellverfahren durch den bayerischen Landtag bringen und um eine sogenannte „Zuverlässigkeitsüberprüfung“ erweitern. Diese stelle jedoch eine Bedrohung für die Bürger:innenrechte dar und öffne die Tür für zukünftige Überwachungsmaßnahmen. Aufgerufen zu der heutigen Demonstration “Schlimmer geht immer – Nein zum PAG 2.0” hat daher ein Bündnis bestehend aus Parteien, wie SPD, Bündnis 90/Die Grüne, FDP und Die LINKE, als auch über 30 zivilgesellschaftliche Organisationen, von Löwenfans gegen Rechts und Südkurve München über Ende Gelände bis zu Mehr Demokratie und dem Bayerischen Flüchtlingsrat.

„Heute haben hier tausende Menschen noch einmal bekräftigt: Das PAG in seiner jetzigen Form ist nicht im Sinne der Bürger. Anstatt immer neuer Überwachungsmaßnahmen sollte die bayerische Staatsregierung den Dialog mit der Zivilgesellschaft suchen und die Freiheit nicht immer weiter beschneiden“, sagt Simon Strohmenger, Sprecher des noPAG-Bündnisses. „Entgegen ihres Versprechens, die Regelungen zum PAG abzumildern, verschärft die Staatsregierung mit dem neuen Gesetz das PAG weiter.“

Mit der neu eingeführten Zuverlässigkeitsüberprüfung befugt die Bayerische Staatsregierung die Polizei in Zukunft, im Vorfeld von Großereignissen personenbezogene Daten von Einzelnen erheben zu können. Das Gesetz schafft die Möglichkeit, dass künftig nur an Veranstaltungen teilnehmen darf, wer im Vorfeld einer polizeilichen Überprüfung persönlich zugestimmt hat. In anderen Bundesländern ist dies deutlich enger gefasst.

Ziel des Bündnisses ist es daher, die Zuverlässigkeitsüberprüfung zu verhindern und Bürger:innenrechte im PAG zu stärken. Damit soll gewährleistet werden, dass Bayern zu seinen PAG-Regelungen von vor 2017 zurückkehrt.

„Weltweit gibt es noch nie dagewesene Formen von Überwachung und Kontrolle. Dieser Tendenz muss besonnen und nicht nacheifernd begegnet werden,“ so Johnny Parks, ebenfalls Sprecher des noPAG-Bündnisses. „Das neue PAG beweist, wie fern die Regierung unserer Gesellschaft ist. Das Vertrauen in die Polizei ist schwächer denn je in der BRD. Befugnis-Erweiterung ist also die schlechteste Antwort, die CSU und Freie Wähler bringen konnten.“

Das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz:
Das PAG wurde bereits 2017 und 2018 von der Bayerischen Staatsregierung verschärft. Damals beschloss die CSU, die unbestimmte Kategorie der „drohenden Gefahr“ mit in das PAG aufzunehmen. Trotz großer Proteste in Bayern und heftiger Kritik aus der Opposition wurde das Gesetz inklusive der drohenden Gefahr verabschiedet. Verschiedene Verfassungsklagen, an welchen unter anderem das Bündnis gegen das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz beteiligt ist, sind derzeit noch anhängig. Erst im Mai diesen Jahres veröffentlichte eine Expert:innenkommission Verbesserungsvorschläge für das PAG, die derzeit im Landtag verhandelte Novellierung des PAGs ist Ergebnis dieses Prozesses. Die neuerliche Verschärfung des PAG in Form einer „Zuverlässigkeitsüberprüfung“ wurde erst im Juni im Innenausschuss des Landtages eingebracht.

Weitere Informationen finden Sie hier.

Schlimmer geht immer: Nein zum PAG 2.0

Aufruf zur Demonstration des nopag-Bündnisses

Schlimmer geht immer – Nein zum PAG 2.0!

Sonntag, 18.7.2021 – 14 Uhr, Theresienwiese, München

Die Regierungskoalition aus CSU und Freien Wählern will kurzfristig und im Eilverfahren die nächste Verschärfung des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) auf den Weg bringen:

Die Polizei soll künftig befugt werden, „bei Anlässen, die mit erheblichen Sicherheitsrisiken verbunden sind“ eine sogenannte Zuverlässigkeitsüberprüfung durchzuführen und somit personenbezogene Daten von Einzelnen „bei öffentlichen und nicht-öffentlichen Stellen erheben“ zu können. Diese „Zuverlässigkeitsüberprüfungen“ sollen für jede Art von Veranstaltung gelten. Wir sehen hier die Gefahr einer möglichen Anwendung auch auf Demonstrationen.

Diese Änderung des PAGs wurde am 22. Juni 2021 von CSU und Freien Wählern in den Landtag eingebracht, im Ausschuss beschlossen und sollen nun im Schnellverfahren und ohne die normal übliche Expert*innen-Anhörung bereits am 20. Juli 2021 im Landtags-Plenum abschließend beschlossen werden.

 

Nein zum Gläsernen Menschen – Nein zum PAG 2.0

Wir fordern die Landesregierung auf, von diesem erneuten massiven Grundrechtseingriff Abstand zu nehmen. Zwar gibt es die sogenannten Zuverlässigkeitsüberprüfungen auch in anderen Bundesländern, doch sind sie dort – wenn auch ebenso fragwürdig – beschränkt auf einzelne Berufsgruppen mit besonderen Sicherheitsrisiken. Diese Einschränkung sieht die geplante Änderung von CSU und Freien Wählern nicht vor. Das bedeutet, dass künftig alle Besucher*innen von Veranstaltungen durchleuchtet werden können. Passieren soll das nur nach persönlicher Zustimmung – in der Praxis würde dies soziale Erpressung gleichkommen: Wer künftig an Großveranstaltungen teilnehmen möchte, muss sich dafür zum Gläsernen Menschen machen. Experten sprechen deswegen bereits von einem „Einfallstor für Social Crediting“ und einer „ganz neue[n] Dimension der Überwachung und Kontrolle“.

Dass ein solch gravierender Beschluss – noch dazu in Zeiten der Corona-Pandemie, wenn Proteste erschwert und die öffentliche Aufmerksamkeit anderweitig gebündelt ist – im Eilverfahren durch den Landtag gepeitscht werden soll, ist eine Farce für das bayerische Parlament und die bayerische Demokratie.

 

Wir lassen das der CSU und den Freien Wählern nicht durchgehen!

Geht mit uns auf die Straße:

 am Sonntag, den 18.7.2021, um 14 Uhr auf der Theresienwiese

Bitte beachtet:

Da die Corona-Pandemie trotz aktuell niedriger Inzidenzen aufgrund der Delta-Variante nach wie vor aktuell ist, bringt bitte eine FFP2-Maske mit, haltet euch an die Mindestabstände und an die Anweisungen der Ordner*innen vor Ort.

Rechtsradikale und extrem Rechte jedweder Couleur, auch wenn sie sich selbst als „Querdenker*innen“, „Corona-Rebell*innen“ oder anders bezeichnen, sind auf unserer Demo nicht willkommen.

Es rufen mit uns auf (in alphabetischer Reihenfolge):

Antifa NT München
Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (ASJ) Landesverband Bayern
Bayerischer Flüchtlingsrat
Bündnis 90/Die Grünen Bayern und KV München
Bündnis Freiräumen München
Deutscher Hanfverband München
DIE LINKE Bayern
Die PARTEI KV München
Die Piraten Oberbayern
DIE URBANE. Eine HipHop Partei
digitalcourage e.V.
Ende Gelände München
Extinction Rebellion München
FDJ München
FDP Bayern und München
GEW Bayern
Gruppen der Südkurve München
Grüne Jugend Bayern und München
ISO – Internationale sozialistische Organisation OG München
Junge Liberale Stadtverband München
Jusos Bayern
Karawane München
KlimaCamp München
Königlich-Bayerische Antifa
Löwenfans gegen rechts
Mehr Demokratie Bayern
MLPD München
mut Bayern
Münchner Aktionsbündnis 8. März
Münchner Flüchtlingsrat
Nord Süd Forum München e.V.
SPD Bayern
Volt München
VVN-BdA Kreisvereinigung München & LV Bayern
ÖDP München München

Was wir außerdem fordern:

Vollständige Aufhebung der PAG-Änderungen von 2018

Dieser neue Grundrechtseingriff kommt nun im Zuge einer Diskussion im Landtag auf, die dort aktuell eigentlich zu den Änderungen des PAG von 2018 geführt wird. Die im Herbst 2018 neu gebildete Landesregierung aus CSU und Freien Wählern hatte angekündigt, die vorherigen Änderungen des PAG der CSU-Alleinregierung entschärfen zu wollen. Es werden jedoch lediglich kosmetische Änderungen der damaligen Verschärfung diskutiert.

Mittlerweile ist klar, dass der bayerische Innenminister sowie Polizeivertreter*innen die Öffentlichkeit 2018 über die geplanten Änderungen belogen haben. So wurden trotz anderslautender Behauptungen Menschen ohne anwaltlichen Beistand mehrere Wochen in Haft gehalten. Das PAG von 2018 stellt mit einem völlig unklaren Begriff der „drohenden Gefahr“ und einer Vergeheimdienstlichung der Polizei ein verfassungswidriges Gesetz dar. Nach wie vor fordern wir deswegen, alle Änderungen am PAG von 2017 und 2018 gänzlich rückgängig zu machen!

 

Rechtsstaatliche Kontrolle der Polizei statt unrechtsstaatlicher Kontrolle von Bürger*innen 

Im vergangenen Jahr haben auch in Deutschland zehntausende Menschen im Rahmen der Black-Lives-Matter-Bewegung demonstriert und darauf hingewiesen, dass autoritäre Sicherheitsgesetze und mangelnde Kontrollen vor allem marginalisierte Gruppen wie People of Colour, Migrant*innen oder Geflüchtete besonders treffen.

Die Skandale um Rechtsextremismus in der Polizei verhärten diese Sorge. In den letzten Monaten sind bundesweit diverse rechtsextreme Netzwerke und Chatgruppen, in denen Polizist*innen rechtsextremes Gedankengut ausgetauscht haben, aufgeflogen. Darunter beispielsweise auch eine Chatgruppe von über 40 Mitgliedern des Münchner Unterstützungskommandos (USK), in der antisemitische Inhalte verbreitet wurden. Und dennoch sprechen die Verantwortlichen immer und immer wieder von „Einzelfällen“.

Wir fordern deswegen endlich eine stärkere rechtsstaatliche Kontrolle und strukturelle Änderungen bei den Sicherheitsbehörden anstatt immer neuer Befugnisausweitungen durch autoritäre Polizeigesetze oder aktuell der Einführung des Staatstrojaners.

 

PAG-Entwurf bleibt hinter Kritik der Kommission zurück, zentrale verfassungsrechtliche Probleme bleiben unangetastet

Anlässlich der 1. Lesung des erneuten Gesetzentwurfs zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes im Bayerischen Landtag am 24.2.2021 erklärt Laura Pöhler (Pressesprecherin Bündnis noPAG):

»Wir stellen ernüchtert fest: Der erneute Gesetzesentwurf bleibt
selbst hinter den unzureichenden Empfehlungen der PAG-Kommission zurück. Die zentralen Probleme – der Begriff der ‚drohenden Gefahr‘ als Eingriffsschwelle sowie der Einsatz geheimdienstlicher und militärischer Mittel – bleiben unangetastet. Es bleibt dabei: Das PAG ist ein verfassungswidriges Gesetz. Es stattet die bayerische Polizei mit unverhältnismäßigen und weit ins Gefahrenvorfeld reichenden Befugnissen aus. Diese Befugnisse schränken unsere Grund- und Freiheitsrechte unzulässig und unverhältnismäßig ein. Daher werden wir an unserer Verfassungsklage festhalten«

Zur Problematik des Präventivgewahrsams ohne anwaltlichen Beistand kritisiert Johannes König (Beschwerdeführer der Verfassungklage von #noPAG und Gesellschaft für Freiheitsrechte):

»Es ist ein verfassungsrechtlicher Skandal, dass in den letzten Jahren Menschen in Bayern präventiv in Haft genommen wurden, ohne Zugang zu Rechtsanwält*in. Darüber hinaus ist es politisch skandalös, dass die Regierung im Vorfeld felsenfest behauptet hatte, auch nach dem neuen PAG wäre anwaltlicher Beistand für alle Betroffenen gesichert.
Mittlerweile ist klar: Entweder wusste die Regierung nicht, was in ihrem eigenen Gesetz steht oder sie hat wissentlich das Parlament und die Öffentlichkeit belogen. Nun korrigiert die Regierung, was sie zuvor geleugnet hatte. Wenn Joachim Herrmann Anstand hätte, würde er sich spätestens jetzt dafür entschuldigen, dass er beim Präventivgewahrsam die Unwahrheit behauptet hat.«

Darüber hinaus verweisen wir auf die ausführliche Stellungnahme des Bündnisses #noPAG, aus der zitiert werden kann:
https://www.freitag.de/autoren/johanneskoenig/pag-bayern-nicht-reformierbar

Bündnis noPAG – Pressekonferenz am 29.1.2021 zum Gesetzesentwurf der Bayerischen Staatsregierung zur Änderung des PAG

Das Bündnis noPAG lehnt das bayerische Polizeiaufgabengesetz in seiner maßgeblich mit dem PAG- Neuordnungsgesetz beschlossenen Fassung vom 25. Mai 2018 ab. Vertreter*innen des Bündnisses haben gegen das Gesetz Klage vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht. Seit drei Jahren werden unter Berufung auf das PAG rechtsstaatlich nicht hinnehmbare polizeiliche Maßnahmen wie Durchsuchungen ohne richterlichen Beschluss oder Präventivgewahrsam ohne anwaltliche Vertretung in Bayern umgesetzt. Die grundlegende Kritik an dem Gesetz kann durch die im Dezember 2020 vorgelegten Änderungen nicht ausgeräumt werden. Trotz der Ankündigung Joachim Herrmanns, die Anregungen aus dem Abschlussbericht der PAG-Kommission „1 zu 1“ umzusetzen, wird der aktuelle Gesetzesentwurf dem Kommissionsbericht nur in Teilen gerecht. Das PAG ist ein im Kern verfassungswidriges Gesetz, das die bayerische Polizei mit unverhältnismäßigen und weit ins Gefahrenvorfeld reichenden Befugnissen ausstattet. Diese Befugnisse lehnt das Bündnis ab. Das Bündnis wird den nun beginnenden parlamentarischen Beratungsprozess kritisch begleiten.

Die ausführliche Stellungnahme findet sich hier.

Wir fordern:

  • die im bayerischen Landtag vertretenen Parteien auf, die Neuberatung des PAGs zu nutzen, eine grundlegende Reform des Gesetzes anzugehen, die alle Änderungen am PAG, die seit August 2017 in Kraft sind, zurücknimmt. Dazu gehört insbesondere die vollständige Streichung des Begriffs der „drohenden Gefahr“ aus dem Gesetz und die Rückkehr zum Begriff der „konkreten Gefahr“. Wir fordern die Parteien zudem auf, im konkreten Beratungsprozess insbesondere folgende Änderungen durchzusetzen:
    • Beiordnung eines Anwalts bereits bei der ersten richterlichen Vorführung eines in Präventivgewahrsam genommenen Häftlings
    • Einführung eines Richtervorbehaltes auch bei der polizeilichen Anordnung eines Wohnortwechsels (Verbannung)
    • Aufnahmen von Bodycams dürfen nicht allein der polizeilichen Nutzung überlassen bleiben, sondern müssen auch zur Aufklärung von polizeilichen Übergriffen zur Verfügung stehen. Polizeibeamt*innen dürfen keine Möglichkeit haben, die Kameras im Einsatz ein- bzw. abzuschalten. Beim Einsatz von Bodycams in Wohnungen muss ein Richtervorbehalt eingeführt werden. Die technische Möglichkeit des Prerecording muss abgeschafft werden.
    • Keine Ausweitung der polizeilichen Befugnisse bei Kontrollen (Identitätsfeststellungen)
  • die Bürger*innen auf, sich an der erneuten Diskussion zum PAG durch aktive Wortmeldungen zu beteiligen und dem breiten Protest der Bevölkerung gegen das PAG Ausdruck zu verleihen. 
  • weitergehende Initiativen zur Stärkung von Bürgerrechten:
    • Individuelle Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamt*innen
    • Unabhängiges Kontrollgremium und unabhängige Ermittlungen für Fälle von Polizeigewalt und andere Vergehen (z. B. Racial Profiling)
    • die Untersuchung und konsequentes Vorgehen gegen extrem rechte und rassistische Einstellungen in den Reihen der bayerischen Polizei

Bündnis noPAG kritisiert Corona-Demos

„Wer sich für Grundrechte einsetzen will, kann nicht mit Neonazis und Antisemit*innen demonstrieren“

Das Bündnis noPAG, das in den letzten Jahren eine breite Protestbewegung gegen die grundrechtefeindliche Politik der bayerischen Landesregierung und das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz angeführt hat, kritisiert die Kundgebungen der „Corona-Rebellen“ am vergangenen Samstag in der Münchner Innenstadt.

Bündnissprecherin Laura Pöhler: „Was wir da am Samstag erlebt haben ist erschreckend. Verschwörungstheorien und Shoah-Relativierungen wurden im Zentrum Münchens ungehindert verbreitet – und das ausgerechnet an jenem Wochenende, an dem wir die Befreiung vom Nationalsozialismus vor 75 Jahren feiern. Die dort versammelte „Anti-Corona-Bewegung“ scheint in weiten Teilen kein Bedürfnis zu haben, sich gegenüber dem extrem rechten Spektrum abzugrenzen. Die Anmelderin Petra Kothoff selbst verbreitet auf Facebook verschwörungsideologische und antisemitische Inhalte und bietet den Äußerungen des rechtsextremen Propagandisten Ken Jebsen eine Plattform. Die extreme Rechte war von AfD bis Dritter Weg vertreten, was von etlichen der angeblich für Grundrechte eintretenden Teilnehmer*innen vehement verteidigt wurde. Wir kritisieren das entschieden und fordern all diejenigen, denen es tatsächlich um Grundrechte geht, auf, die Chatgruppen zu verlassen und nicht mehr an diesen verschwörungsideologischen Demonstrationen teilzunehmen.“

Frederick Heussner fügt hinzu „Auch der Umgang der Polizei ist bezeichnend. Während bei linken Kundgebungen trotz konsequentem Gesundheitsschutz schon für die kleinsten Übertretungen unverhältnismäßig durchgegriffen wird, gab es am Samstag trotz Corona einen Handshake mit Verschwörungsideologin Kothoff.“

Pöhler weiter: „Natürlich gibt es auch in Corona-Zeiten etliche Gründe für Kritik und Protest. Die Lage in Geflüchtetenunterkünften ist menschenunwürdig und es besteht die reale Gefahr, dass die Grundrechtseinschränkungen nach Corona nicht zurück genommen werden.
Auch sozial ist Corona mit erheblichen Härten verbunden. Der Pflegenotstand ist noch einmal verschärft und es sind besonders die
Schwächsten die unter der Krise am Meisten leiden, während milliardenschwere Rettungspakete für klimafeindliche Autokonzerne beschlossen werden. Diese Themen kamen jedoch auf der Demonstration bezeichnenderweise nicht vor.“

Bündnissprecher Frederick Heussner ergänzt seine Kollegin: „All das lässt uns vom noPAG Bündnis zu dem Schluss kommen: Die Demonstrationen haben mit Grundrechten und Solidarität nichts zu tun. Vielmehr erinnern sie mit ihren „Wir sind das Volk“-Gesängen an PEGIDA, auch wenn der gemeinsame Nenner diesmal nicht Rassismus gegen Geflüchtete, sondern antisemitische Verschwörungsideologie ist. Wenn tausende Menschen 75 Jahre nach der Niederlage des Nationalsozialismus nichts Besseres zu tun haben, als mit Nazis und Antisemit*innen auf die Straße zu gehen und sich mit den Opfern der Shoa zu vergleichen, sind sie definitiv Teil des Problems, nicht Teil der Lösung.“

Bündnis noPAG fordert Moratorium für Sicherheitsgesetze – Gesetzesentwurf aus dem Bundesjustizministerium zur DNA überflüssig

Das Bündnis noPAG – Nein zum Bayerischen Polizeiaufgabengesetz lehnt erneuten Gesetzesvorstoß des Bundesjustizministeriums ab. Ein Ändern von Sicherheitsgesetzen am laufenden Band schafft nicht mehr Sicherheit. Gesetzesinitiativen müssen ausgesetzt werden.

Das Bündnis noPAG – ein Zusammenschluss von etwa 100 Organisationen -, das sich mit einer Verfassungsklage gegen das im vergangenen Jahr verabschiedete neue bayerische Polizeiaufgabengesetz wendet, fordert das Bundesjustizministerium auf, das geplante Gesetz zur DNA-Analyse nicht in das parlamentarische Beratungsverfahren einzubringen. Es gibt derzeit keine Notwendigkeit für eine Verschärfung der Gesetzgebung, im Gegenteil. Die erweiterte DNA-Analyse stellt einen erheblichen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte dar. Das bayerische Polizeiaufgabengesetz enthält bereits eine sehr weitreichende Regelung zur DNA-Analyse.

Ursprünglich hatte die Staatregierung noch weitergehende Befugnisse bei der Untersuchung genetischer Fingerabdrücke geplant, diese jedoch zumindest teilweise nach dem massiven Protest zurückgenommen. Nun sollen bundesweit die Befugnisse über eine Änderung von § 81e Absatz 2 der Strafprozessordnung (StPO) erreicht werden, obwohl die DNA-Analyse in verschiedenen Klagen gegen das PAG bereits gerügt wurde. Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber hatte in seinem jüngsten Tätigkeitsbericht die massive Ausweitung der Befugnisse für Grundrechtseingriffe der Sicherheitsbehörden gerügt und eine Auszeit bei der Verabschiedung neuer Gesetze gefordert. In diesem Sinne fordert das Bündnis noPAG ein Moratorium für alle Landes- und Bundesgesetzgeber für neue Sicherheitsgesetze, bis grundlegende Fragen entschieden sind. Selbst Innenminister Seehofer hat mittlerweile eingesehen, dass ein Lieblingsprojekt der großen Koalition, das sogenannte Musterpolizeigesetz wenig Sinn macht, wenn die Vorlage zu diesem Gesetz – das bayerische Polizeiaufgabengesetz – in weiten Teilen vor dem Bundesverfassungsgericht und dem bayerischen Verfassungsgerichtshof mit Klagen angegriffen wird. Ein Moratorium sollte mindestens so lange währen, bis über diese Klagen entschieden wurde. Nach Auffassung des Bündnisses braucht es keine verschärfenden Sicherheitsgesetze. Es benötigt im Gegenteil einen Vorschlag, wie eine sogenannte „Überwachungsgesamtrechnung“ in der Praxis umgesetzt werden kann. Bereits 2010 hatte das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung gerügt, dass staatliche Maßnahmen nicht ausschließlich einzeln, sondern immer auch in ihrer Gesamtsumme betrachtet werden müssen. Bis heute fehlt es jedoch an entsprechenden Instrumenten. Es wird gesammelt und gespeichert, ohne dass klar ist, wie einschneidend die Flut neuer Sicherheitsgesetze die Grund- und Persönlichkeitsrechte beschneidet. Die breite Unterstützung des Bündnisses noPAG in der Bevölkerung zeigt, dass viele Menschen mittlerweile ein ungutes Gefühl beschleicht, wenn sie an Polizei und Geheimdienste denken, vor allem deren Datensammelwut und die Befugnisse der Behörden, die massive Einschnitte in Freiheitsrechte ermöglichen. Vor diesem Hintergrund darf nicht einfach weiter an der Sicherheitsschraube gedreht werden.