Groß-Demo in München: 2500 demonstrieren gegen PAG 2.0

Mehr als 2000 Menschen haben am heutigen Sonntag in München gegen die erneute Verschärfung des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) durch die Bayerische Staatsregierung demonstriert. CSU und Freie Wähler wollen dies im Schnellverfahren durch den bayerischen Landtag bringen und um eine sogenannte „Zuverlässigkeitsüberprüfung“ erweitern. Diese stelle jedoch eine Bedrohung für die Bürger:innenrechte dar und öffne die Tür für zukünftige Überwachungsmaßnahmen. Aufgerufen zu der heutigen Demonstration “Schlimmer geht immer – Nein zum PAG 2.0” hat daher ein Bündnis bestehend aus Parteien, wie SPD, Bündnis 90/Die Grüne, FDP und Die LINKE, als auch über 30 zivilgesellschaftliche Organisationen, von Löwenfans gegen Rechts und Südkurve München über Ende Gelände bis zu Mehr Demokratie und dem Bayerischen Flüchtlingsrat.

„Heute haben hier tausende Menschen noch einmal bekräftigt: Das PAG in seiner jetzigen Form ist nicht im Sinne der Bürger. Anstatt immer neuer Überwachungsmaßnahmen sollte die bayerische Staatsregierung den Dialog mit der Zivilgesellschaft suchen und die Freiheit nicht immer weiter beschneiden“, sagt Simon Strohmenger, Sprecher des noPAG-Bündnisses. „Entgegen ihres Versprechens, die Regelungen zum PAG abzumildern, verschärft die Staatsregierung mit dem neuen Gesetz das PAG weiter.“

Mit der neu eingeführten Zuverlässigkeitsüberprüfung befugt die Bayerische Staatsregierung die Polizei in Zukunft, im Vorfeld von Großereignissen personenbezogene Daten von Einzelnen erheben zu können. Das Gesetz schafft die Möglichkeit, dass künftig nur an Veranstaltungen teilnehmen darf, wer im Vorfeld einer polizeilichen Überprüfung persönlich zugestimmt hat. In anderen Bundesländern ist dies deutlich enger gefasst.

Ziel des Bündnisses ist es daher, die Zuverlässigkeitsüberprüfung zu verhindern und Bürger:innenrechte im PAG zu stärken. Damit soll gewährleistet werden, dass Bayern zu seinen PAG-Regelungen von vor 2017 zurückkehrt.

„Weltweit gibt es noch nie dagewesene Formen von Überwachung und Kontrolle. Dieser Tendenz muss besonnen und nicht nacheifernd begegnet werden,“ so Johnny Parks, ebenfalls Sprecher des noPAG-Bündnisses. „Das neue PAG beweist, wie fern die Regierung unserer Gesellschaft ist. Das Vertrauen in die Polizei ist schwächer denn je in der BRD. Befugnis-Erweiterung ist also die schlechteste Antwort, die CSU und Freie Wähler bringen konnten.“

Das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz:
Das PAG wurde bereits 2017 und 2018 von der Bayerischen Staatsregierung verschärft. Damals beschloss die CSU, die unbestimmte Kategorie der „drohenden Gefahr“ mit in das PAG aufzunehmen. Trotz großer Proteste in Bayern und heftiger Kritik aus der Opposition wurde das Gesetz inklusive der drohenden Gefahr verabschiedet. Verschiedene Verfassungsklagen, an welchen unter anderem das Bündnis gegen das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz beteiligt ist, sind derzeit noch anhängig. Erst im Mai diesen Jahres veröffentlichte eine Expert:innenkommission Verbesserungsvorschläge für das PAG, die derzeit im Landtag verhandelte Novellierung des PAGs ist Ergebnis dieses Prozesses. Die neuerliche Verschärfung des PAG in Form einer „Zuverlässigkeitsüberprüfung“ wurde erst im Juni im Innenausschuss des Landtages eingebracht.

Weitere Informationen finden Sie hier.

Schlimmer geht immer: Nein zum PAG 2.0

Aufruf zur Demonstration des nopag-Bündnisses

Schlimmer geht immer – Nein zum PAG 2.0!

Sonntag, 18.7.2021 – 14 Uhr, Theresienwiese, München

Die Regierungskoalition aus CSU und Freien Wählern will kurzfristig und im Eilverfahren die nächste Verschärfung des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) auf den Weg bringen:

Die Polizei soll künftig befugt werden, „bei Anlässen, die mit erheblichen Sicherheitsrisiken verbunden sind“ eine sogenannte Zuverlässigkeitsüberprüfung durchzuführen und somit personenbezogene Daten von Einzelnen „bei öffentlichen und nicht-öffentlichen Stellen erheben“ zu können. Diese „Zuverlässigkeitsüberprüfungen“ sollen für jede Art von Veranstaltung gelten. Wir sehen hier die Gefahr einer möglichen Anwendung auch auf Demonstrationen.

Diese Änderung des PAGs wurde am 22. Juni 2021 von CSU und Freien Wählern in den Landtag eingebracht, im Ausschuss beschlossen und sollen nun im Schnellverfahren und ohne die normal übliche Expert*innen-Anhörung bereits am 20. Juli 2021 im Landtags-Plenum abschließend beschlossen werden.

 

Nein zum Gläsernen Menschen – Nein zum PAG 2.0

Wir fordern die Landesregierung auf, von diesem erneuten massiven Grundrechtseingriff Abstand zu nehmen. Zwar gibt es die sogenannten Zuverlässigkeitsüberprüfungen auch in anderen Bundesländern, doch sind sie dort – wenn auch ebenso fragwürdig – beschränkt auf einzelne Berufsgruppen mit besonderen Sicherheitsrisiken. Diese Einschränkung sieht die geplante Änderung von CSU und Freien Wählern nicht vor. Das bedeutet, dass künftig alle Besucher*innen von Veranstaltungen durchleuchtet werden können. Passieren soll das nur nach persönlicher Zustimmung – in der Praxis würde dies soziale Erpressung gleichkommen: Wer künftig an Großveranstaltungen teilnehmen möchte, muss sich dafür zum Gläsernen Menschen machen. Experten sprechen deswegen bereits von einem „Einfallstor für Social Crediting“ und einer „ganz neue[n] Dimension der Überwachung und Kontrolle“.

Dass ein solch gravierender Beschluss – noch dazu in Zeiten der Corona-Pandemie, wenn Proteste erschwert und die öffentliche Aufmerksamkeit anderweitig gebündelt ist – im Eilverfahren durch den Landtag gepeitscht werden soll, ist eine Farce für das bayerische Parlament und die bayerische Demokratie.

 

Wir lassen das der CSU und den Freien Wählern nicht durchgehen!

Geht mit uns auf die Straße:

 am Sonntag, den 18.7.2021, um 14 Uhr auf der Theresienwiese

Bitte beachtet:

Da die Corona-Pandemie trotz aktuell niedriger Inzidenzen aufgrund der Delta-Variante nach wie vor aktuell ist, bringt bitte eine FFP2-Maske mit, haltet euch an die Mindestabstände und an die Anweisungen der Ordner*innen vor Ort.

Rechtsradikale und extrem Rechte jedweder Couleur, auch wenn sie sich selbst als „Querdenker*innen“, „Corona-Rebell*innen“ oder anders bezeichnen, sind auf unserer Demo nicht willkommen.

Es rufen mit uns auf (in alphabetischer Reihenfolge):

Antifa NT München
Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (ASJ) Landesverband Bayern
Bayerischer Flüchtlingsrat
Bündnis 90/Die Grünen Bayern und KV München
Bündnis Freiräumen München
Deutscher Hanfverband München
DIE LINKE Bayern
Die PARTEI KV München
Die Piraten Oberbayern
DIE URBANE. Eine HipHop Partei
digitalcourage e.V.
Ende Gelände München
Extinction Rebellion München
FDJ München
FDP Bayern und München
GEW Bayern
Gruppen der Südkurve München
Grüne Jugend Bayern und München
ISO – Internationale sozialistische Organisation OG München
Junge Liberale Stadtverband München
Jusos Bayern
Karawane München
KlimaCamp München
Königlich-Bayerische Antifa
Löwenfans gegen rechts
Mehr Demokratie Bayern
MLPD München
mut Bayern
Münchner Aktionsbündnis 8. März
Münchner Flüchtlingsrat
Nord Süd Forum München e.V.
SPD Bayern
Volt München
VVN-BdA Kreisvereinigung München & LV Bayern
ÖDP München München

Was wir außerdem fordern:

Vollständige Aufhebung der PAG-Änderungen von 2018

Dieser neue Grundrechtseingriff kommt nun im Zuge einer Diskussion im Landtag auf, die dort aktuell eigentlich zu den Änderungen des PAG von 2018 geführt wird. Die im Herbst 2018 neu gebildete Landesregierung aus CSU und Freien Wählern hatte angekündigt, die vorherigen Änderungen des PAG der CSU-Alleinregierung entschärfen zu wollen. Es werden jedoch lediglich kosmetische Änderungen der damaligen Verschärfung diskutiert.

Mittlerweile ist klar, dass der bayerische Innenminister sowie Polizeivertreter*innen die Öffentlichkeit 2018 über die geplanten Änderungen belogen haben. So wurden trotz anderslautender Behauptungen Menschen ohne anwaltlichen Beistand mehrere Wochen in Haft gehalten. Das PAG von 2018 stellt mit einem völlig unklaren Begriff der „drohenden Gefahr“ und einer Vergeheimdienstlichung der Polizei ein verfassungswidriges Gesetz dar. Nach wie vor fordern wir deswegen, alle Änderungen am PAG von 2017 und 2018 gänzlich rückgängig zu machen!

 

Rechtsstaatliche Kontrolle der Polizei statt unrechtsstaatlicher Kontrolle von Bürger*innen 

Im vergangenen Jahr haben auch in Deutschland zehntausende Menschen im Rahmen der Black-Lives-Matter-Bewegung demonstriert und darauf hingewiesen, dass autoritäre Sicherheitsgesetze und mangelnde Kontrollen vor allem marginalisierte Gruppen wie People of Colour, Migrant*innen oder Geflüchtete besonders treffen.

Die Skandale um Rechtsextremismus in der Polizei verhärten diese Sorge. In den letzten Monaten sind bundesweit diverse rechtsextreme Netzwerke und Chatgruppen, in denen Polizist*innen rechtsextremes Gedankengut ausgetauscht haben, aufgeflogen. Darunter beispielsweise auch eine Chatgruppe von über 40 Mitgliedern des Münchner Unterstützungskommandos (USK), in der antisemitische Inhalte verbreitet wurden. Und dennoch sprechen die Verantwortlichen immer und immer wieder von „Einzelfällen“.

Wir fordern deswegen endlich eine stärkere rechtsstaatliche Kontrolle und strukturelle Änderungen bei den Sicherheitsbehörden anstatt immer neuer Befugnisausweitungen durch autoritäre Polizeigesetze oder aktuell der Einführung des Staatstrojaners.