800 Menschen demonstrieren gegen das PAG in München

Mehr als 800 Menschen haben heute in München gegen das Polizeiaufgabengesetz (PAG) demonstriert. Vor fünf Jahren verabschiedete der Bayerische Landtag die gravierende Novelle des PAGs, die die rechtlichen Grundlagen für polizeiliche Willkür deutlich erweitert. Seitdem werden insbesondere Migrant*innen und Klimaaktivist*innen ohne juristischen Beistand mehrere Wochen in Präventivhaft genommen. Aufgerufen zur heutigen Demonstration „5 Jahre sind genug“ hat das noPAG-Bündnis, bestehend aus über 70 zivilgesellschaftlichen Organisationen und Parteien.

„Trotz unserer großen Proteste haben CSU und Freie Wähler vor fünf Jahren das neue Polizeiaufgabengesetz beschlossen. Dieses garantiert der Polizei weitreichende Eingriffsbefugnisse in unser aller Rechte. Darum ist der Protest gegen das PAG heute genauso aktuell wie vor fünf Jahren“, sagt Franziska Büchl, Sprecherin des noPAG-Bündnisses. „All die Jahre haben wir besonders vor dem Präventivgewahrsam gewarnt. Denn damit können Menschen ohne Verurteilung und vor allem ohne, dass sie vorher eine Straftat begangen haben, inhaftiert werden“, so Büchl.

Wie der Umgang mit Migrant*innen und zuletzt mit Aktivist*innen der Letzten Generation zeigt, wird der Präventivgewahrsam bereits intensiv angewendet. Dabei wurden Menschen teilweise mehrere Wochen eingesperrt. Eine Maßnahme, die von bayerischen Gerichten bereits mehrfach als unverhältnismäßig abgelehnt wurde. „Der Präventivgewahrsam wird genau in den von uns befürchteten Fällen eingesetzt, um marginalisierte Menschen und Meinungen, die der Staatsregierung nicht passen, wegzusperren“, so Büchl weiter.

Das Bündnis fordert daher, das PAG grundlegend zu reformieren und zu den Regelungen von vor 2017 zurückzukehren. Zentral ist auch die Abkehr vom unbestimmten Begriff der „drohenden Gefahr“, der weitreichende polizeiliche Befugnisse ins Tatvorfeld verlegt.

„Als Bündnis klagen wir gegen das PAG, denn dies ist mit einem Rechtsstaat nicht vereinbar.

Vergleichbare Regelungen, beispielsweise im Polizeirecht von Mecklenburg-Vorpommern, hat das Bundesverfassungsgericht 2022 für verfassungswidrig erklärt. Aber das PAG in Bayern gilt weiter. Das darf so nicht bleiben“, so Büchl.

Das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz:
Das PAG wurde bereits 2017 und 2018 von der Bayerischen Staatsregierung verschärft. Damals beschloss die CSU, die unbestimmte Kategorie der „drohenden Gefahr“ mit in das PAG aufzunehmen. Trotz großer Proteste in Bayern und heftiger Kritik aus der Opposition wurde das Gesetz inklusive der drohenden Gefahr verabschiedet. Eine Popularklage vom Bund für Geistesfreiheit hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof am vergangenen Mittwoch abgelehnt.Verschiedene Verfassungsklagen, an welchen unter anderem das Bündnis gegen das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz beteiligt ist, sind derzeit noch anhängig.

„5 Jahre sind genug“ – Kommt am 18. Juni um 11 Uhr zur Demonstration gegen das Bayerische Polizeiaufgabengesetz (PAG) am Max-II-Denkmal (Maxmonument)

Vor fünf Jahren verabschiedete der bayerische Landtag die gravierende Novelle des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (2018). Damit wurden die rechtlichen Grundlagen für polizeiliche Willkür entschieden erweitert. Seit dem Inkrafttreten des PAGs wurden insbesondere Migrant*Innen ohne juristischen Beistand in Polizeigewahrsam genommen. Ebenfalls wurden Demonstrant*Innen und Klimaaktivist*Innen mehrere Wochen in Präventivhaft (Haft ohne Straftat) genommen. Eine Maßnahme, die von bayerischen Gerichten bereits mehrfach als unverhältnismäßig abgelehnt wurde. Mit der sogenannten „Zuverlässigkeitsüberprüfung“ stellt das PAG Helfer*Innen bei Großveranstaltungen, Demonstrationen und Streiks unter Generalverdacht. Die Staatsregierung führte mit der PAG-Novelle 2018 durchgehend den unbestimmten Begriff der „drohenden Gefahr“ ein und verlegt damit die weitreichenden Befugnisse der Beamt*innen weit ins sogenannte Tatvorfeld. Die Polizei darf Telefongespräche oder den E-Mail-Verkehr überwachen. Vertrauenspersonen und verdeckt arbeitende Ermittler*Innen können auch bereits bei „drohender Gefahr“, also ohne konkreten Hinweis auf ein strafbares Verhalten, eingesetzt werden und dabei unbemerkt auch online Einblicke in privateste Lebensbereiche erhalten. Vergleichbare Regelungen, z.B. im Polizeirecht von Mecklenburg-Vorpommern, hat das Bundesverfassungsgericht 2022 für verfassungswidrig erklärt. Aber das PAG in Bayern gilt weiter. Das darf so nicht bleiben.

Bayern braucht ein Polizeirecht, das demokratischer Kontrolle unterliegt. Das heißt auch: wir wollen keine Grundrechtseinschränkungen! So lehnen wir zum Beispiel die Einführung von Spionagesoftware, wie VeRA des US-Unternehmens Palantir zur automatisierten Überwachung, ab. Trotz massiver Kritik wurde die Software bereits ohne Parlamentsbeschluss durch die Staatsregierung angeschafft. Für das bayerische Polizeigesetz gibt es nur eine Möglichkeit: Es muss grundlegend reformiert und wieder auf rechtsstaatliche Füße gestellt werden. Wir brauchen eine unabhängige Kontrolle der bayerischen Polizei, die zum Beispiel untersucht, wenn Polizeibeamt*innen gegen Migrant*Innen, Fußballfans, Aktivist*Innen, Demonstrant*Innen oder Streikende vorgehen oder gar Gewalt anwenden.

Deshalb gehen wir am 18. Juni 2023 um 11 Uhr erneut auf die Straße, um für ein besseres PAG und gegen die Einschränkung der Grundrechte zu streiten! Die Befürchtungen haben sich bestätigt: Denn das bayerische PAG ist Ausdruck einer immer repressiver werdenden Gesellschaft. Angefangen mit einer immer schärfer werdenden Gesetzgebung gegen Demonstrant*Innen bis hin zu einem inhumanen Vorgehen gegen Geflüchtete an den Außengrenzen.

Demo für die Abschaffung des Präventivgewahrsam

Demonstration am 13.11.2022 um 14 Uhr am Wettersteinplatz

Derzeit sitzen 12 Teilnehmer*innen an den Klimaprotesten in der Münchener Innenstadt in sogenanntem Präventivgewahrsam mit einer Dauer von einem Monat. Das Bündnis noPAG fordert die sofortige Freilassung der Inhaftierten. Wer Aktivist*innen einsperrt, beschneidet das Versammlungsrecht. In Zeiten, in denen weltweit Menschen um ihre Freiheitsrechte bangen und kämpfen müssen, darf in Bayern nicht der schleichende Abbau von Grundrechten weiter voran gehen. Seit 2017 gilt in Bayern ein in Deutschland einmaliges Polizeirecht, dass immer wieder vor allem gegen Geflüchtete und Protestierende eingesetzt wird. Die Dauer des bayerischen Präventivgewahrsams bis zu zwei Monaten ist in Deutschland einmalig, ebenso wie die häufige Anwendung gegen der Regierung unliebsame soziale Bewegungen. Selbst die von der bayerischen Staatsregierung eingesetzte PAG-Kommission hat die unverhältnismäßige Dauer des bayerischen Präventivgewahrsams kritisiert. Und bayerische Gerichte haben bereits im Zusammenhang mit den Protesten gegen die IAA die Präventivhaft von Klimaaktivist*innen aufgehoben. Das Bündnis noPAG fordert den bayerischen Innenminister Herrmann auf, die bayerische Polizei anzuweisen, bis auf weiteres auf die Präventivhaft gegen Versammlungsteilnehmer*innen zu verzichten. Das Bundesverfassungsgericht soll sich nunmehr zeitnah mit den seit Jahren anhängigen Klagen des noPAG-Bündnisses und anderer Organisationen gegen die Neufassung des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes befassen. Über die Sinnhaftigkeit und die Strategie einzelner Aktionen lässt sich kontrovers diskutieren. Der Versuch jedoch, diese mit Mitteln des Polizeirechts zu kriminalisieren und zu unterdrücken ist nicht nur ein Zeichen von politischer Schwäche sondern auch ein Angriff auf unverzichtbare Grundrechte. Wir bleiben bei unseren Forderungen: Das PAG in seiner Neufassung muss vollständig zurückgenommen und insbesondere der unbestimmte Begriff der „drohenden Gefahr“ als Eingriffsschwelle für drastische Eingriffe in demokratischen Freiheitsrechte abgeschafft werden.